Gefahrgutunfall hielt Feuerwehren in Atem - 45 Verletzte

27.04.2005

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SCHWAIG (DB2) - In den frühen Morgenstunden des 25.04.2005 kam es auf dem Betriebsgelände einer Spedition im Industriegebiet von Schwaig zu einem folgenschweren Rangierunfall, der einen umfangreichen Gefahrgut-Einsatz zur Folge hatte.

  

Während der Fahrer einer österreichischen Spedition seinen Lkw samt Hänger rückwärts an die Laderampe steuerte, senkten Arbeiter die Rampe so unglücklich ab, dass ein im hinteren Bereich des Hängers gelagertes 200-Liter Fass etwa 20 cm unterhalb der Oberkante aufgerissen wurde.

   
Größere Mengen der Flüssigkeit verteilten sich auf der Ladefläche und auf dem Hof der Spedition.
Nachdem zahlreiche Betriebsangehörige binnen kurzer Zeit über massive gesundheitliche Probleme, insbesondere Kopfschmerzen, klagten und sich in ärztliche Behandlung begeben mussten, wurde gegen 8.30 Uhr die Feuerwehr Schwaig durch die PI Lauf alarmiert.

   
Zu diesem Zeitpunkt lautete aufgrund übereinstimmender Angaben in den Frachtpapieren und auf dem beschädigten Fass die Meldung „auslaufende Flüssigkeit mit der UN-Nummer 1992“.

  

Da unter dieser UN-Nummer mehrere verschiedene, äußerst problematische Substanzen (zunächst war die extrem gefährliche Substanz Diepoxybutan gemeldet) zusammengefasst werden, lag es nahe, gegen 8.50 Uhr den Gefahrgutzug der Feuerwehr Altdorf nachzualarmieren.

  

Dank der umfangreichen Datenbanken im MZF der FF Altdorf konnte bereits auf der Anfahrt geklärt werden, mit welchen Gefahren an der Einsatzstelle zu rechnen war:

  • Flüssigkeit darf unter keinen Umständen in die Kanalisation gelangen

  • Extrem hohe Brand- und Explosionsgefahr durch heftige chemische Reaktionen, Brandschutz mit Spezialschaum erforderlich

  • Massive Gesundheitsschädigung bei Aufnahme über die Atemwege oder die Haut

  • Komplizierte Entsorgung der Substanz

Aus Sicherheitsgründen beschränkte sich die FF Schwaig zunächst auf das Abdichten der Kanalisation und das weiträumige Absperren des Betriebsgeländes, wodurch weitergehender Schaden zunächst abgewendet werden konnte.

  

 

   

 

 

  

Um ein weiteres Auslaufen der hochbrisanten Flüssigkeit zu unterbinden, wurde durch den ersten Trupp der Feuerwehr Altdorf unter CSA schnellstmöglich das leckgeschlagene Fass in einem Bergefass verstaut. Parallel wurden weitergehende Nachforschungen – TUIS; BF Nürnberg, Hersteller – eingeleitet, um möglichst viele Informationen zur weiteren Vorgehensweise zu erhalten.

  

Da dem „Zugführer Gefahrgut“ der FF Altdorf während der Bergung des Fasses ernsthafte Zweifel gekommen waren, dass die vorliegenden Datenblätter nicht mit dem tatsächlichen Inhalt des Fasses übereinstimmen könnten, wurden aus Sicherheitsgründen weitere Maßnahmen im Bereich der Laderampe zunächst zurückgestellt und weitere Recherchen durchgeführt.

  

Ärgerlicherweise war unter der auf den Ladepapieren angegebenen Notfallnummer des italienischen Herstellers aufgrund des Nationalfeiertages kein Ansprechpartner zu erreichen, und beim Empfänger der Ladung – einem elektrotechnischen Betrieb in Mannheim – dauerte es eine Zeitlang, bis ein aussagekräftiges Datenblatt per Fax in das MZF der FF Altdorf übermittelt werden konnte.

  

Mit den nun vorliegenden Informationen war es endlich möglich, den Einsatz gezielt fortzuführen:
Zunächst wurden unter CSA größere Mengen Säurebinder verteilt, wobei sich sehr bewährte, dass sehr schnell ausreichender Nachschub aus den Feuerwachen Lauf, Hersbruck und Altdorf zur Einsatzstelle gebracht werden konnte.

  

Zeitgleich wurde im Gerätehaus Schwaig eine Verletzensammelstelle durch den Rettungsdienst eingerichtet. Hier wurden die Verletzten/Betroffenen registriert, notärztlich gesichtet und nach Transportpriorität in die umliegenen Krankenhäuser verbracht. Ein RTW verblieb über die gesamte Einsatzdauer zur Absicherung der eingesetzten Feuerwehrkräfte in der Nähe der Schadensstelle.

  

 

  

Zur Unterstützung der acht CSA-Geräteträger der FF Altdorf wurde um 10.15 Uhr die Feuerwehr Lauf nachalarmiert, und als aufgrund der umfangreichen Dekontaminationsarbeiten abzusehen war, dass sich der Einsatz enorm in die Länge ziehen würde, erfolgte um 11.55 Uhr die Alarmierung der Feuerwehr Röthenbach / Pegnitz. Um 11.22 Uhr war bereits die FW Behringersdorf zur Verstärkung des Brandschutzes an die Einsatzstelle beordert worden.

  

Während die FW Altdorf Gefahrstoff-Messungen mit den Auer-Prüfröhrchen organisierte, stellte die BF Nürnberg das neue PID des GW-Mess für Vergleichsmessungen zur Verfügung, um valide Zahlen für das Ausmaß der Umweltgefährdung zu erhalten.

  

Da in der Zwischenzeit geklärt worden war, dass eine Fachfirma sowohl das Bergefass als auch die erheblichen Mengen an kontaminiertem Chemikalienbinder einer gesicherten Entsorgung zuführen kann, wurden mehrere Edelstahl-Fässer der FF Altdorf mit dem Sondermüll gefüllt.

  
Aufgrund der sich abzeichnenden Niederschläge und der daraus resultierenden erheblichen Gefährdung für die Kläranlage Nürnberg wurde die Entscheidung getroffen, den Hof zusätzlich nass zu reinigen, wobei das entstehende Abwasser von einer weiteren Fachfirma unmittelbar aufgefangen werden musste.

   

Erst jetzt konnten die ersten Fahrzeuge der Feuerwehren abrücken, während Experten der Polizei mit sorgfältigen Ermittlungen begannen. Auch zeigten sich mittlerweile bei etlichen Einsatzkräften gesundheitliche Probleme, die teilweise sogar vorsorgliche kurzzeitige Einlieferungen in die Krankenhäuser Lauf und Altdorf zur Folge hatten.

  

 

  

Die Kameraden der Feuerwehr Schwaig mussten bis lange nach 16.00 Uhr an der Einsatzstelle verbleiben, bis die Vollsperrung des betroffenen Areals wieder aufgehoben werden konnte.

  

Ausdrücklich hervorzuheben ist die ausgezeichnete Kooperation aller an dem Einsatz beteiligten Einheiten: Die Zusammenarbeit sowohl der zahlreichen Feuerwehren aus den unterschiedlichen Dienstbezirken untereinander als auch mit den Kräften von Berufsfeuerwehr Nürnberg, Polizei und Rettungsdienst klappte vorzüglich! Besonders zeigte sich dies auch aufgrund der Tatsache, dass die Ladepapiere in keinster Weise sachdienlich waren. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.

  

Durch den reibungslosen Einsatz der Hilfskräfte konnte trotz der dramatisch klingenden Schadenslage gravierende Folgen für die Umwelt abgewandt werden. Dennoch musste insgesamt 45 Personen, darunter sechs Feuerwehrdienstleistende, sechs Rettungsdienstmitarbeiter und eine Polizistin zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden.

Leider liegen uns momentan keine weiteren Bilder vor, sollte sich dies ändern, werden wir die Bilder einfügen.

  
Beteiligte Kräfte:

KBR Pawelke, KBI Thiel, KBI Schlerf, KBI Schneider, KBM Keim, KBM Pinzer, KBM Gsänger (Lkr. RH)
FF Schwaig mit MZF, LF16/12, TLF16/25, RW2, DLK 23-12
FF Altdorf mit LF, MZF, Dekon-P, GW-G, SW, Dekon-Hänger
FF Lauf mit MZF, LF16/12, V-LKW
FF Röthenbach/Pegnitz mit MZF, LF16/12, TLF16/25, V-LKW
FF Behringersdorf mit LF16/12
FF Hersbruck mit ELW1, V-LKW
BF Nürnberg mit DW und GW-Mess
Polizei, Kripo, Gefahrgutgruppe
Rettungsdienst mit OrgL, LNA, 2 ELW, NEF, 8 RTW, 3 MTW
Landratsamt

  

Bericht: FF Altdorf
Fotos:
KFV Online